Flechten, flechtenbewohnende und flechtenähnliche Pilze (Basidiomycota p.p. & Ascomycota p.p.)

Die Flechten nehmen unter den Lebewesen und damit auch in der biologischen Systematik eine Sonderstellung ein, denn hinter den äußerlich wie ein Organismus aussehenden Flechten verbergen sich in der Regel zwei oder mehr Arten – ein Pilz und eine Alge und/oder Blaualge. Sie sind in einer Symbiose buchstäblich miteinander verflochten. In Deutschland sind 1.946 Flechtenarten, -unterarten und -varietäten, 390 Arten flechtenbewohnender Pilze und weitere 44 Arten flechtenähnlicher Pilze etabliert.

Spezialisten unter extremen Lebensumständen

Viele Flechten sind an extreme Umweltbedingungen angepasst. Orte, an denen die meisten Pflanzen und Pilze allein wegen fehlender Nährstoffe oder häufiger Austrocknung nicht existieren könnten, bieten noch Lebensräume für Flechten. Einige Arten sind so kältetolerant, dass sie selbst nackten Fels in der nivalen Höhenstufe der Gebirge besiedeln können. An vielen dieser unwirtlichen Standorte haben Flechten keine Konkurrenz.

Flechtenvielfalt und Luftqualität

Viele Flechtenarten reagieren empfindlich auf Veränderungen der Luftqualität. Im 20. Jahrhundert gingen die Bestände einiger Flechtenarten aufgrund des hohen Schwefeldioxidgehalts der Luft zurück. Durch die Minderung von Emissionen breitete sich ein Teil der Arten später wieder aus, andere haben sich von den Bestandseinbußen noch nicht erholt. Aktuell setzen besonders die hohen Stickstoffeinträge aus Industrie und Landwirtschaft den Flechten zu.

Wie geht es den Flechten?

Im Jahr 2011 wurden 714, also rund 37 % aller aus Deutschland bekannten Flechten-Taxa (Arten, Unterarten, Varietäten) als bestandsgefährdet eingestuft, weitere 152 sind bereits ausgestorben oder gelten als verschollen. Wie bedenklich die Situation der Flechten insgesamt ist, wird anhand des Anteils ungefährdeter Taxa deutlich: Für nur etwa ein Viertel der in Deutschland vorkommenden Taxa wird eine Gefährdung sicher ausgeschlossen.

Viele Pilzarten wachsen nur auf ganz bestimmten Substraten oder Wirten. Einige von ihnen haben sich auf Flechten spezialisiert und werden daher als lichenicol oder flechtenbewohnend bezeichnet. Da Funddaten dieser Arten traditionell eher von Flechten- als von Pilzexperten erhoben werden, wird die Gefährdung der flechtenbewohnenden Pilze gemeinsam in einer Roten Liste mit den Flechten bewertet. Für etwa die Hälfte der Arten reichen aktuell die Daten und Kenntnisse noch nicht aus, um die Gefährdung zu beurteilen. 40 Arten werden in der aktuellen Roten Liste als bestandsgefährdet, weitere 16 als ausgestorben oder verschollen angesehen. 80 Arten sind in Deutschland extrem selten, bei 75 Arten ist von ungefährdeten Beständen auszugehen.

Flechtenähnliche Pilze werden traditionell von der Lichenologie mitbearbeitet und sind deshalb in dieser Roten Liste enthalten. Von ihnen sind 7 Arten ausgestorben oder bestandsgefährdet, für 66 % reicht die Datenlage nicht für eine Einstufung aus.

Aktuelle Rote Liste

Wirth, V.; Hauck, M.; Brackel, W. von; Cezanne, R.; Bruyn, U. de; Dürhammer, O.; Eichler, M.; Gnüchtel, A.; John, V.; Litterski, B.; Otte, V.; Schiefelbein, U.; Scholz, P.; Schultz, M.; Stordeur, R.; Feuerer, T. & Heinrich, D. (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Flechten und flechtenbewohnenden Pilze Deutschlands. – In: Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 6: Pilze (Teil 2) – Flechten und Myxomyzeten. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (6): 7–122.

Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar.