Wie lassen sich neue Arten entdecken?

Die Zahl unentdeckter Arten ist hoch: geschätzte 10-100 Millionen Arten weltweit. Warum ist es trotzdem so schwer, neue Arten zu entdecken? MDR-Reporter Max hatte es sich einfacher vorgestellt. Im Selbstversuch und im Gespräch mit Fachleuten schaut er, wo es neue Arten geben könnte und was man tun muss, um sie zu finden. Mit dabei: unser Rote-Liste-Experte.

Chancen für Entdeckungen

Trotz des Verlustes an Artenvielfalt, der Krise der Biodiversität, werden jeden Tag weltweit im Schnitt schätzungsweise 50 neue Arten entdeckt, erfährt man bei MDR Wissen, insgesamt ist erst ein kleiner Prozentsatz aller Arten auf der Erde überhaupt beschrieben. Die größten Chancen für Neuentdeckungen bieten Orte mit dünner menschlicher Besiedlung und stabilen klimatischen Bedingungen wie der tropische Regenwald. Doch gibt es auch in Deutschland noch Neues zu finden? Im Auftrag des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) nimmt Reporter Max Heeke „Meine Challenge. Ich entdecke eine neue Art“ an – und wird überrascht.

 Überraschungsfund: Haplogona oculodistincta ist eine für Deutschland neue Art aus der Klasse der Doppelfüßer. Die Art war bisher nur aus Österreich und den benachbarten Balkanstaaten bekannt. Foto: Dr. Jörg Spelda

Überraschungsfund: Haplogona oculodistincta ist eine für Deutschland neue Art aus der Klasse der Doppelfüßer. Er war bisher nur aus Österreich und den benachbarten Balkanstaaten bekannt.

Dr.Jörg Spelda

„Unentdeckte Arten, das sind nicht die spektakulären Arten, die man sich als Laie vorstellt. Am ehesten findet man sie bei den Artengruppen mit der größten Vielfalt, den Insekten. Aber auch im Boden lebende Tiere oder Pilze sind noch wenig erforscht. Je kleiner, je unauffälliger, je versteckter sie leben, um so besser sind die Chancen für Neuentdeckungen. Bei uns in Deutschland werden eigentlich keine neuen Säugetiere, Vögel oder Fische mehr entdeckt – die hier „neu entdeckten“ Arten sind oft solche, die zuvor mit nah verwandten Arten verwechselt worden sind“, erklärt Dr. Günter Matzke-Hajek, Biologe und Mitarbeiter des Rote-Liste-Zentrums, dem Reporter.

Biologen und Arten-Kennerinnen teilen ihr Wissen

Max Heeke erfährt bei seiner „Safari“ auf der Wiese: Wer neue Arten entdecken möchte, muss nicht nur an den richtigen Stellen suchen. Das Entscheidende ist, dass man sehr gute Artenkenntnis braucht, um überhaupt bemerken zu können, wenn man etwas Außergewöhnliches findet. Nur wer regelmäßig über einen langen Zeitraum beobachtet und Organismen bestimmt, erwirbt diese Artenkenntnis und bekommt einen Eindruck von den Lebensgemeinschaften eines Gebiets. Mitunter kommt es dabei zur Entdeckung einer für die Region neuen Art oder es wird eine regional verschollene Art wiedergefunden. Noch wichtiger ist jedoch: Ohne planmäßige Erfassungen kann man den Rückgang und die Gefährdung von Arten viel schwieriger erkennen.

Auf dem Weg zur Expertin und zum Artenkenner

Denen, die mitforschen möchten und die sich für spannende Beobachtungen und Entdeckungen interessieren, empfiehlt Dr. Günter Matzke-Hajek: „Kontakt aufnehmen zu örtlichen Naturschutzverbänden, Fachgesellschaften oder Forschungsgruppen“. Dort erwirbt man bei Exkursionen Artenkenntnis, lernt Erfassungsmethoden kennen und kann durch die verbesserten Kenntnisse dazu beitragen, die Artenvielfalt zu bewahren.

Max Heeke begibt sich auf Entdeckungsreise. Grafik: MDR Wissen / Jessica Brautzsch

Max Heeke begibt sich auf Entdeckungsreise.

Grafik: MDR Wissen / Jessica Brautzsch

Interview und Podcast

Das Interview „Wie lassen sich neue Arten entdecken?“ von Max Heeke und Klara Fröhlich sowie den Podcast „Meine Challenge: Ich entdecke eine neue Art“ gibt es beim Mitteldeutschen Rundfunk, MDR Wissen

Schätzungen zu unentdeckten Arten

Je nach Hochrechnung und Schätz-Methodik schwankt die Zahl der weltweit unentdeckten Arten zwischen zehn und 100 Millionen Arten, nur 1,3 Millionen Arten sind bereits beschrieben. Dr. Günter Matzke-Hajek erläutert mit einem Vergleich, warum Schätzungen so unsicher sind: „Man stelle sich ein Fußballstadion im Dunklen vor, in dem geschätzt werden soll, wie viele Besucher anwesend sind. Wenn ein Scheinwerfer angeht, sehen wir in einem kleinen Ausschnitt zehn Leute stehen. Von dieser Teilfläche kann man hochrechnen. Ob aber in dem anderen dunklen Bereich im gleichen Zahlenverhältnis Menschen stehen, das wissen wir nicht." Deshalb sind solche Hochrechnungen nur bedingt aussagekräftig.

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