Bis vor ca. 140 Jahren lebten in unseren Bächen, Flüssen und stehenden Gewässern stabile, teilweise sehr große Bestände der drei in Deutschland einheimischen Flusskrebse, nämlich vom Edelkrebs, vom Steinkrebs und vom Dohlenkrebs. Heute haben es diese drei trotz ihrer starken Panzerung zunehmend schwer. Gründe dafür sind der Gewässerverbau und die Gewässerverschmutzungen, vor allem aber die Krebspest, eine für mitteleuropäische Flusskrebse tödlich verlaufende Krankheit. Auch die zunehmende Ausbreitung mehrerer gebietsfremder Flusskrebsarten – die meisten davon sind zugleich Überträger der Krebspest – setzt den einheimischen Zehnfußkrebsen stark zu. Deren bekanntester Vertreter ist der Edelkrebs. Er ist unsere Art des Monats August.
Der Edelkrebs (Astacus astacus) ist die größte einheimische Flusskrebsart, er kann eine Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 20 cm und ein Gewicht bis zu 350 g erreichen. Im Verlauf seines Wachstums sprengt er wiederholt seinen zu eng gewordenen alten Panzer, unter dem sich bereits ein neuer gebildet hat. Unmittelbar nach jeder Häutung ist dieser bis zur Aushärtung etwa drei Tage lang sehr weich, weshalb die Tiere dann auch als „Butterkrebse“ bezeichnet werden. In dieser Zeit sind sie völlig schutzlos und bleiben daher in ihren Verstecken. Junge Krebse häuten sich mehrmals im Jahr, mit zunehmendem Alter geschieht das immer seltener. Die Lebenserwartung kann erstaunliche 15-20 Jahre betragen.
Von den je 5 Schreitbeinen des Edelkrebses sind die Endglieder des vordersten Paares zu großen Scheren umgebildet.
Foto: Sascha Schleich
Wie bei allen Zehnfußkrebsen besitzt der Edelkrebs beidseitig fünf Schreitbeine, wobei die Endglieder des vordersten Paares zu großen Scheren umgebildet sind. Diese dienen der Nahrungssuche und -aufnahme sowie als Verteidigungswerkzeuge bei Revier- und Paarungskämpfen mit Artgenossen. Die heimischen Flusskrebse sind alle überwiegend nachtaktiv und verbringen den Tag unter Steinen, Wurzeln und Totholz oder in selbst gegrabenen Wohnhöhlen in den Uferböschungen. Als opportunistische Allesfresser haben sie eine Schlüsselrolle im Ökosystem. In Schulbüchern wird der Edelkrebs daher oft als „Gewässerpolizei“ bezeichnet, vor allem weil er auch kranke und schwache Fische erbeutet sowie pflanzliche Abfälle beseitigt.
Der Edelkrebs war früher weit verbreitet und häufig. Sein Lebensraum waren die Mittel- und Unterläufe fließender Gewässer, aber auch Teiche und Seen. Wegen seines wohlschmeckenden Fleisches und weil er leicht zu fangen ist, war er ein beliebtes Nahrungsmittel und Handelsobjekt. Der Dohlenkrebs hingegen kommt natürlicher Weise nur in Baden-Württemberg vor.
In den letzten Jahrzehnten sind die Bestände der drei einheimischen Flusskrebsarten weitgehend zusammengebrochen. Grund dafür war neben den menschlichen Eingriffen in die Lebensräume vor allem die rapide Vermehrung von hier ausgebrachten Krebsarten aus Amerika. Mit den eingeschleppten Arten breitete sich eine für die einheimischen Flusskrebse tödliche Infektionskrankheit seuchenartig aus – die durch den Eipilz Aphanomyces astaci ausgelöste sogenannte Krebspest. Die amerikanischen Krebse übertragen die Krankheit, sind selbst aber resistent bzw. teilresistent dagegen. Erkrankte Edelkrebse verlieren ihren Fluchtreflex und werden so eine leichte Beute von Fressfeinden. Andere zeigen Lähmungen oder ihre Gliedmaßen fallen ab und sie verenden. Aber nicht nur als Überträger der Krebspest, sondern auch als Konkurrenz sind die amerikanischen Krebse eine Gefahr für die einheimischen Verwandten: Sie sind artspezifisch dominanter und erreichen deutlich größere Dichten.
Vor diesem Hintergrund stellt die für andere wasserbewohnende Tierarten positive Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Fließgewässer eine große Gefahr für die indigenen Flusskrebse dar. Wo Querbauwerke und Wanderhindernisse beseitigt werden, ist leider auch der Weg für die weitere Ausbreitung der gebietsfremden Arten offen.
Frühere Angaben zur Gefährdung des Edelkrebses und seiner einheimischen Verwandten sind veraltet oder haben nur regionale Gültigkeit. Eine aktuelle Rote Liste Deutschlands befindet sich deshalb in Vorbereitung. Ohne den detaillierten Gefährdungsanalysen vorgreifen zu wollen, ist damit zu rechnen, dass alle drei einheimischen Arten „Stark gefährdet“ bzw. „Vom Aussterben bedroht“ sein dürften.
In den letzten Jahrzehnten sind die Bestände der drei einheimischen Flusskrebsarten weitgehend zusammengebrochen.
Foto: Sascha Schleich
Die Zukunft für die gepanzerten Wasserritter sieht nicht rosig aus. Es ist davon auszugehen, dass sie langfristig nur noch in isolierten Gewässern überleben können. Dort ist ausnahmsweise auf die Durchgängigkeit von Fließgewässern zu verzichten. Mittlerweile kommen zu diesem Zweck öfter so genannte Krebssperren zum Einsatz. Sie sollen verhindern, dass gebietsfremde Krebsarten flussaufwärts wandern, gleichzeitig gewährleisten sie die Durchgängigkeit für die meisten anderen Gewässerbewohner, insbesondere für Fische.
Da der Edelkrebs nach wie vor ein in der Gastronomie nachgefragtes Nahrungsmittel ist und sein Fleisch als Delikatesse gilt, gibt es zahlreiche Edelkrebszuchten, was den Arterhalt derzeit sicherstellt. Die lokale Genetik wird dabei allerdings selten berücksichtigt. Von Stein- und Dohlenkrebs sind bislang nur wenige Zuchterfolge bekannt.
Ein Beitrag von Sascha Schleich
Der Inhaber eines Planungsbüros für Natur- und Artenschutz spezialisierte sich im Laufe seiner ehrenamtlichen und beruflichen Tätigkeit insbesondere auf die Artengruppen der Amphibien, Reptilien sowie Flusskrebse und fungiert derzeit als Koordinator für die in Vorbereitung befindliche Rote Liste der Flusskrebse Deutschlands. Daneben beschäftigt er sich mit der Verbreitung der Haselmaus in Rheinland-Pfalz und kartiert das Vorkommen des Nordamerikanischen Ochsenfrosches in Rheinland-Pfalz. Weitere Informationen: www.info@bfa-schleich.de
Edelkrebse verstecken sich tagsüber an Uferböschungen, z.B. unter Steinen und Wurzeln.
Foto: Sascha Schleich
Eine aktuelle Rote Liste der Krebse Deutschlands befindet sich in Vorbereitung. Es ist damit zu rechnen, dass dort alle drei einheimischen Flusskrebsarten als „Stark gefährdet“ bzw. „Vom Aussterben bedroht“ aufgeführt werden.