Neues Online-Portal „Moose Deutschlands“ mit 450.000 Beobachtungen und mehr als 1 Million Rasterdaten

Moose sind die Überlebenskünstler der Pflanzen. Sie besiedeln Pflasterritzen, Mauern und Dächer ebenso wie Wälder, Sümpfe, Hochmoore oder Felsen. Dennoch ist ein Viertel der Moos-Arten Deutschlands bestandsgefährdet, für 12 % reicht die Datenlage für eine Gefährdungseinstufung bisher nicht aus. Mit dem Datenportal „Moose Deutschlands“ wird es künftig leichter, Beobachtungsdaten zu erfassen und für den Naturschutz und die Roten Listen zu verwenden.

Alle Mooskundigen können mitmachen

Das neue Moosportal wächst kontinuierlich: Im März 2022 enthält es bereits 450.000 Datensätze mit exakten Beobachtungsdaten. Außerdem stehen mehr als 1 Million Rasterdaten aus dem Verbreitungsatlas von Ludwig Meinunger und Wiebke Schröder zur Verfügung. Das Portal wird vom Rote-Liste-Zentrum aufgebaut und von der BLAM (Bryologisch-Lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e.V.) fachlich betreut.

Das Zwerg-Filzmützenmoos (pogonatum nanum) gehört zu den Laubmoosen und ist laut Rote Liste stark gefährdet. Foto: Steffen Caspari

Das Zwerg-Filzmützenmoos (Pogonatum nanum) gehört zu den Laubmoosen und ist laut Rote Liste stark gefährdet. Es wächst an nährstoffarmen, sauren Rohbodenstandorten und ist empfindlich gegenüber Stickstoffeinträgen.

Foto: Dr. Steffen Caspari  

Moose Deutschlands ist mit seinen Verbreitungskarten ein Portal für alle diejenigen, die Nachweisdaten zu Moosen online eingeben oder hochladen und sich dazu mit weiteren Expertinnen und Experten austauschen wollen. Ziel des Portals ist das Zusammenführen von verstreuten Beobachtungs- und Sammlungsdaten aus Deutschland. Damit soll ein Überblick über historische und aktuelle Vorkommen der Arten ermöglicht werden. Geprüfte Daten werden für Zwecke des Naturschutzes, für wissenschaftliche Auswertungen und für die Erstellung der Roten Listen gefährdeter Pflanzen Deutschlands verwendet.

Der Besuch des Webportals steht grundsätzlich allen Privatpersonen oder Institutionen offen, für die Nutzung wird keine Gebühr erhoben. Schon jetzt nutzen Forscher und Forscherinnen aus dem In- und Ausland das Online-Portal für ihre Recherchen.

Alle Mooskundigen sind herzlich eingeladen, an der Vervollständigung und Aktualisierung des Datenbestandes sowie an der Qualitätssicherung der Daten mitzuarbeiten. Sie können Einzelbeobachtungen punktgenau erfassen oder auch Kartier-/Artenlisten anlegen, die eine schnelle Dateneingabe zu mehreren Arten an einem Ort ermöglichen. Darüber hinaus bietet das Datenportal die Möglichkeit, sich die eigenen sowie die aggregierten Verbreitungsdaten anderer Beobachterinnen und Beobachter kartographisch darstellen zu lassen. Das Datenportal besteht aus einer Datenbank und einem Webportal für die Online-Erfassung, Sichtung und Bereitstellung der zusammengeführten Beobachtungs- und Sammlungsdaten.

Das Glänzende Flügelblattmoos (Hookeria lucens) ist subatlantisch verbreitet und wächst nur in einigen Mittelgebirgen und den Alpen wo der Jahresniederschlag über 1000mm beträgt. Die Rote Liste verzeichnet es als gefährdet. Foto: Stefan Gey

Das Glänzende Flügelblattmoos (Hookeria lucens) ist subatlantisch verbreitet und wächst nur in einigen Mittelgebirgen und den Alpen, wo der Jahresniederschlag meist über 1.000 mm beträgt.

Foto: Stefan Gey

Moosexperte Stefan Gey, der selbst 30.000 Beobachtungsdaten beigetragen hat, berichtet: „Die Dateneingabe und die Auswertungsmöglichkeiten sind komfortabel und ermöglichen sowohl Einzelfund- und Listeneingaben, sowie den Export von erfassten Daten. Eine gute Sache, um alle ehrenamtlich Tätigen zu entlasten und das Wissen über Moose weiter zu verbreiten“. Er schätzt insbesondere die Verbreitungskarten des Portals. Als Mitglied der BLAM wird Stefan Gey zukünftig neue Beobachtungsdaten prüfen, bevor sie veröffentlicht werden. Die BLAM ist fachlich und inhaltlich verantwortlich für das Portal „Moose Deutschlands“.

Moose – eine Patchwork-Gruppe

Die Gesamtartenliste der Moose Deutschlands (Anthocerotophyta, Marchantiophyta & Bryophyta) umfasst 1.195 Arten, Unterarten und Varietäten. Man weiß heute, dass die drei Hauptgruppen der Moose, nämlich Hornmoose, Lebermoose und Laubmoose, nur weitläufig miteinander verwandt sind. Sie stellen in Wirklichkeit ganz eigene Abteilungen im Pflanzenreich dar, die nur aus Traditionsgründen und umgangssprachlich als „Moose“ zusammengefasst werden.

Die Hornmoose sind eine artenarme Gruppe, die in Deutschland nur 6 Arten umfasst. Die Lebermoose – in Deutschland immerhin 286 Taxa – können unterschiedliche Gestalt haben: Ein Teil besitzt lappige (thallose), ein anderer Teil beblätterte Wuchsformen. Die thallosen Arten wachsen ohne Differenzierung in Stämmchen und Blätter. Aus der Gruppe der Laubmoose sind in Deutschland 903 Taxa nachgewiesen. Unter ihnen finden sich die am stärksten differenzierten und auffälligsten Wuchsformen. Besonders in Wäldern, Felsbiotopen und Mooren der Mittel- und Hochgebirge entfalten sie ihren größten Artenreichtum.

Wie geht es den Moosen?

   Das wärmeliebende Hohlblättrige Flügelnervmoos wächst auf kalkreicher Erde an sonnenexponierten Stellen. Es steht auf der Vorwarnliste. Foto: Stefan Gey

Das wärmeliebende Hohlblättrige Flügelnervmoos (Pterygoneurum ovatum) wächst auf kalkreicher Erde an sonnenexponierten Stellen. Es steht auf der Vorwarnliste.

Foto: Stefan Gey

Moose wachsen auf nahezu allen Substraten und in allen Biotopen, lediglich mit Salzwasser tun sie sich schwer. Besonders wichtig sind sie in Mooren, wo sie als Haupt-Torfbildner fungieren, als Felsbewohner, als Epiphyten vor allem auf Laubbäumen und auf Waldboden insbesondere von Nadelwäldern. Moose gehören zu den Pionieren bei der Besiedlung von Rohböden.

Ein Viertel der in der Roten Liste bewerteten Moose Deutschlands ist bestandsgefährdet. Davon sind 39 Arten (3 %) bereits ausgestorben oder verschollen. Recht hoch ist mit 9 % der Anteil extrem seltener Arten. Das kommt daher, dass Moose große Verbreitungsgebiete besiedeln, teilweise aber sehr spezielle Lebensraumansprüche haben, die nur an wenigen Stellen realisiert sind. Nur noch 41 % der in Deutschland nachgewiesenen Moostaxa sind ungefährdet. Für 12 % reicht die Datenlage für eine Gefährdungseinstufung bisher nicht aus.

Über die Roten Listen und das Rote-Liste-Zentrum

Rote Listen sind wissenschaftliche Fachgutachten und dienen insbesondere der Information der Öffentlichkeit über die Gefährdungssituation der Arten. Sie sind u.a. Datenquelle für gesetzgeberische Maßnahmen, Grundlage und Argumentationshilfe für raum- und umweltrelevante Planungen und zeigen Handlungsbedarf für die Erhaltung von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten auf. Die bundesweiten Roten Listen werden von rund 650 Fachleuten erarbeitet. Weitere rund 20.000 Personen haben in den letzten Jahren Beobachtungsdaten dafür bereitgestellt. Diese Arbeiten werden hauptsächlich ehrenamtlich erbracht. Die Roten Listen der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands werden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) herausgegeben.

Das Rote-Liste-Zentrum koordiniert im Auftrag des BfN seit 2019 die Erstellung der bundesweiten Roten Listen der Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands. Es begleitet und unterstützt die jeweiligen Expertinnen und Experten fachlich, organisatorisch und finanziell.

Weitere Informationen

  • Datenportal Moose Deutschlands
  • Bryologisch-Lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa e. V (BLAM)
  • Gesamtartenliste der Moose Deutschlands (Anthocerotophyta, Marchantiophyta & Bryophyta)
  • Rote Liste der Moose Deutschlands zum Download
Auf feuchter und gut gedüngter Erde fühlt sich das Ruderal-Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha subsp. ruderalis) wohl.  Foto: Stefan Gey

Auf feuchter und gut gedüngter Erde fühlt sich das Ruderal-Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha subsp. ruderalis) wohl. Als Kulturfolger wächst es u.a. in Parks, Pflasterritzen, Friedhöfen und Blumentöpfen. Es gilt als ungefährdet. Im Bild sieht man die schirmartigen Träger der weiblichen Geschlechtsorgane (Archegonien) und die pilzförmigen männlichen Antheridienstände.

Foto: Stefan Gey