Auch wenn es sein Name nahelegt: Mit den bekannten Ampferarten, die auf Wiesen und an Ufern fast überall in Deutschland wachsen, ist der Blutrote Meerampfer nicht näher verwandt. Er ist vielmehr eine ausschließlich im Meer vorkommende Rotalge. Seine knallig roten „Blätter“ fallen am ehesten auf, wenn sie an den Strand gespült werden, verbleichen aber schnell. Der Blutrote Meerampfer wächst zwar nicht überall im deutschen Meeresgebiet, seine Bestände sind aber stabil und er gilt als ungefährdet. Die charismatische Rotalge hat sogar eine kleine Karriere in der Kunst hinter sich. Der Blutrote Meerampfer ist unsere Art des Monats Oktober.
Nur wenige Menschen werden den Blutroten Meerampfer (Delesseria sanguinea) in lebendem Zustand zu Gesicht bekommen. Er gedeiht nämlich erst ab dem sogenannten mittleren Sublitoral. Darunter wird die zunehmend weniger lichtdurchdrungene Zone der Meere verstanden, die unterhalb der Gezeitenzone in etwa 5 Metern Tiefe beginnt. Nur Taucher können die Alge also lebend sehen.
Der Blutrote Meerampfer ist eine Rotalge, die ausschließlich im Meer vorkommt.
Foto: Dr. Dirk Schories
Zumeist „ankert“ der Blutrote Meerampfer mit seiner Haftscheibe fest auf Felsen, bisweilen genügen ihm aber auch andere große Algen, denen er aufsitzt. In Deutschland kommt die Art vor allem auf dem Helgoländer Felssockel sowie an vielen Stellen der Ostsee vor, an denen es geeignete Haftflächen gibt. Nicht selten findet man, vor allem nach Stürmen, abgerissene Phylloide des Blutroten Meerampfers am Strand. Das sind die blattartigen Organe der Alge, mit denen diese Photosynthese betreibt. Sie sehen jedoch meist nicht mehr so schön aus wie an der lebenden Alge und behalten ihre markante rote Färbung aufgrund ihrer UV-Licht-Empfindlichkeit nicht lange bei.
Zumeist „ankert“ der Meerampfer mit seiner Haftscheibe fest auf Felsen, manchmal aber auch auf anderen Algen.
Foto: Dr. Dirk Schories
Der Blutrote Meerampfer bildet zeitig im Frühjahr schmale „Blättchen“ aus, die bis in den Mai zu langen und breiten Phylloiden heranwachsen. Gegen Ende des Sommers „verwelken“ diese wieder. Nur die Mittelrippen überleben den Winter. Die mehrjährige Rotalge hat einen ziemlich komplizierten Fortpflanzungszyklus. Es gibt weibliche und männliche Individuen. Letztere bilden Fortpflanzungszellen (Gameten) aus, die verdriftet werden und die Eizellen weiblicher Algen befruchten können. Diese bilden nach der Befruchtung sehr kleine Knötchen, die sogenannten Karposporophyten, deren Karposporen zu einer dritten Generation, den Tetrasporophyten keimen. Diese wiederum erzeugen Tetrasporen, die passiv vom Wasser verbreitet werden und aus denen die neuen Algen keimen. Dieser dreiteilige Fortpflanzungszyklus ist im Pflanzenreich einmalig und kommt nur bei Rotalgen vor, ist bei dieser Algengruppe aber weit verbreitet.
Früher wurde der Blutrote Meerampfer als Heilpflanze zur Blutstillung verwendet. Einigen Inhaltsstoffen (vor allem Vielfachzuckern) werden entzündungshemmende Eigenschaften nachgesagt. Es gab auch Versuche, auf Basis des Blutroten Meerampfers Produkte für die Kosmetikindustrie herzustellen, da Delesseria-Extrakte Enzyme hemmen können, die für die Hautalterung verantwortlich sind. Aufgrund der aufwändigen Gewinnung und Verarbeitung kam es bisher aber zu keiner kommerziellen Nutzung. Vielleicht ist das auch besser so. Der Wert einer Pflanze für uns Menschen kann neben ihrem ökologischen Nutzen auch einfach darin bestehen, dass sie schön ist und uns mit ihrem Anblick erfreut. In diesem Sinne hat der Blutrote Meerampfer auch Eingang in die Kunst gefunden: Der französische Jugendstil-Künstler Émile Gallé, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte, stellte beeindruckende mehrfarbige Glasvasen mit Floralmotiven her, darunter auch Algenvasen, in die Exemplare des Blutroten Meerampfers eingelassen waren.
Bleibt noch die Frage, warum die Alge den deutschen Namen Meerampfer (oder auch Seeampfer) bekommen hat, obwohl sie gar kein Ampfer ist. Vermutlich wurde die Namensgebung von der Form der Phylloide dieser Alge inspiriert. Wenn diese blattartigen Organe ausgewachsen sind, können sie bis zu 30 cm lang werden und gegen Ende des Sommers einen wellig-krausen Rand haben. Sie sehen dann ein wenig so aus wie die Blätter des häufigen Krausen Ampfers (Rumex crispus).
(Artikel veröffentlicht am 1.10.2025)
In Deutschland findet man den Blutroten Meerampfer vor allem auf dem Helgoländer Felssockel sowie an vielen Stellen in der Ostsee.
Foto: Dr. Dirk Schories
Rote Liste der marinen Makroalgen Deutschlands
Schories, D.; Kuhlenkamp, R.; Schubert, H. & Selig, U. (2013): Rote Liste und Gesamtartenliste der marinen Makroalgen (Chlorophyta, Phaeophyceae et Rhodophyta) Deutschlands. – In: Becker, N.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G. & Nehring, S. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 2: Meeresorganismen. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (2): 179-229.
Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar
Rote-Liste-Daten in Kürze: Steckbrief Blutroter Meerampfer (= Blutroter Seeampfer)
Wie geht es den marinen Makroalgen? Bestandssituation und Gesamtartenliste
Im Datenportal "Algen Deutschlands" stehen darüber hinaus Beobachtungsdaten, Kartier-/Artenlisten und Verbreitungskarten zur Verfügung.