Freispruch bei Mord und Raub

Den Namen „Mordfliege“ sollte man nicht zu wörtlich nehmen. Mordfliegen gehören zur Familie der Raubfliegen (Asilidae) und überfallen zwar ahnungslose Beutetiere, töten sie aber nicht zu ihrem Vergnügen, sondern um sich zu ernähren. Während Raubtiere mittlerweile zu „Beutegreifern“ und Raubvögel zu „Greifvögeln“ umgetauft wurden, nahm bisher niemand Anstoß an den „Raubfliegen“. Wir auch nicht. Der Name ist schon 230 Jahre alt und wird aus Traditionsgründen beibehalten.

Eine scheue Fliegenfängerin

Goldfarbene Haarsäume an den Tergiten des Hinterleibs sind typisch für die Fransen-Mordfliege  - hier ein junges Männchen. Gut erkennbar ist auch die leicht aufwärts weisende untere Kontur des Stechrüssels. Foto: Dr. Günter Matzke-Hajek

Goldfarbene Haarsäume an den Tergiten des Hinterleibs sind typisch für die Fransen-Mordfliege – hier ein junges Männchen. Gut erkennbar ist auch die leicht aufwärts weisende untere Kontur des Stechrüssels. 

Foto: Dr. Günter Matzke-Hajek

Mit ihren 12-18 mm Körperlänge gehört die Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata) zu den mittelgroßen Raubfliegenarten – sie ist damit allerdings gut doppelt so groß wie eine Gewöhnliche Stubenfliege. Fast alle Raubfliegen sind schlanke, aber kräftig gebaute Zweiflügler mit großen Komplexaugen, einem „bärtigen“ Gesicht und langen, bedornten Beinen. Der Körperbau mancher Arten erinnert an den von Libellen. Wie diese jagen Raubfliegen nämlich fast nur Fluginsekten. Dafür setzen sie sich – oft mit dem Kopf nach unten – an Totholz oder auf Blätter und beobachten aufmerksam ihre Umgebung. Erspähen sie ein kleineres Insekt, starten sie zu einem kurzen Verfolgungsflug und packen die Beute mit ihren borstigen Beinen. Die Fransen-Mordfliege piekst übrigens keinen Menschen. Vor hektischen Bewegungen flüchtet sie sofort. Wer sie beobachten oder fotografieren will, sollte sich deshalb sehr langsam bewegen.

Der Stechrüssel – Giftspritze und Trinkhalm in einem

Anders als Libellen, die ihre Opfer mit den Mundwerkzeugen regelrecht filetieren und zerkauen, ernähren sich Raubfliegen eher nach Spinnenmanier: Sofort nach dem Zugriff bohren sie ihren starren, stilettartigen Stechrüssel in die Beute und injizieren ihren toxischen Speichel. Anschließend landen sie und saugen die Körperflüssigkeit ihres Opfers ein.

Typischerweise findet man die eindrucksvollen Fliegen an besonnten, wärmebegünstigten Rändern von Laubwäldern. Während sie morgens und vormittags meist jagen, findet die Paarung eher in den Nachmittagsstunden statt. Die Eier werden an Totholz abgelegt, beispielsweise in Rindenspalten, Rissen oder an Käferbohrlöchern. Die blassen Larven ernähren sich dann in den vorhandenen Fraßgängen überwiegend von anderen Insektenlarven, z. B. solchen von Borkenkäfern. Erst im späten Frühjahr des folgenden Jahres verlassen sie als fertig entwickelte Fliegen die hölzerne Kinderstube. Bei uns in Deutschland sind sie von Juni bis Anfang Oktober zu beobachten.

Weiter verbreitet als früher angenommen

Früher galt die Fransen-Mordfliege eher als seltene Art der kollinen und submontanen Höhenstufen. Die meisten Nachweise stammten aus der Oberrheinebene und ihren Randlagen sowie aus den kontinental getönten Regionen zwischen Nordhessen und Sachsen. Dann wurde deutlich, dass die Art oft nicht von der ähnlichen Gemeinen Mordfliege (Choerades marginata) unterschieden worden war. Die Verbreitung der Fransen-Mordfliege in Deutschland hat sich daher erst in den letzten Jahren genauer darstellen lassen. Sie scheint sich aber nach Norden auszubreiten. Möglicherweise ist dieser Arealzuwachs eine Folge des Klimawandels.

Rote-Liste-Bewertung

In der letzten Roten Liste der Raubfliegen Deutschlands (Wolff 2011) wurde die Fransen-Mordfliege als mäßig häufig und mit langfristig stabilen Beständen eingeschätzt. Damit gehört sie in die Kategorie „Ungefährdet“. Der Steckbrief unserer Artensuchmaschine zeigt weitere Informationen zur Rote-Liste-Bewertung der Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata) – inklusive Bestandssituation, kurz- und langfristigem Bestandstrend.

Die bundesweiten Roten Listen dokumentieren auf wissenschaftlicher Grundlage und in verdichteter Form die Gefährdung der einheimischen Arten. Damit sind sie ein stets verfügbares Fachgutachten, ein Frühwarnsystem für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und eine Argumentationshilfe für umweltrelevante Planungen. Rote Listen zeigen den vordringlichen Handlungsbedarf im Artenschutz auf.

Bei der Paarung der Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata) sind Männchen (links) und Weibchen (rechts) voneinander abgewandt. Foto: Dr. Günter Matzke-Hajek

Bei der Paarung der Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata) sind Männchen (links) und Weibchen (rechts) voneinander abgewandt. 

Foto: Dr. Günter Matzke-Hajek

LITERATUR UND ROTE LISTE ZUM ARTIKEL 

Literatur

Atlas der Raubfliegen Deutschlands: Nachweiskarten, Lebensräume, Trivialnamen

Rote Liste der Raubfliegen Deutschlands

Wolff, D. (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Raubfliegen (Diptera: Asilidae) Deutschlands. – In: Binot-Hafke, M.; Balzer, S.; Becker, N.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G.; Matzke-Hajek, G. & Strauch, M. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3): 143–164.

Rote-Liste-Daten zum Download

Gesamtartenliste der Raubfliegen, mit Rote-Liste-Kategorien

Fransen-Mordfliege (Choerades fimbriata)  

Rote-Liste-Kategorie: Ungefährdet