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Wissenschaftlicher Name
Anguilla anguilla (Linnaeus, 1758)
Deutscher Name
Europäischer Aal
Organismengruppe
Meeresfische und -neunaugen
Rote-Liste-Kategorie
Stark gefährdet
Verantwortlichkeit Deutschlands
In besonders hohem Maße verantwortlich
Aktuelle Bestandssituation
mäßig häufig
Langfristiger Bestandstrend
sehr starker Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
starke Abnahme
Vorherige Rote-Liste-Kategorie
Stark gefährdet
Kategorieänderung gegenüber der vorherigen Roten Liste
Kategorie unverändert
Kommentar zur Verantwortlichkeit
Bei der Verantwortlichkeitseinstufung für den Europäischen Aal wurde berücksichtigt, dass die Art aufgrund massiver Rückgänge in allen Teilen des Areals durch die IUCN aktuell weltweit als vom Aussterben bedroht (Critically Endangered) eingestuft wird (IUCN 2023). Die deutschen Meeresgebiete der Nord- und Ostsee liegen im Hauptareal der Art. Der Bestandsanteil des Europäischen Aals beträgt hier weniger als 10% des Weltbestandes der Art. Deutschland ist insgesamt in besonders hohem Maße für die weltweite Erhaltung der Art verantwortlich. Bedingt durch das relativ große Verbreitungsgebiet besteht eine gesamteuropäische Verantwortlichkeit zur Erhaltung der Art, was entsprechend in der Europäischen Aalverordnung (VO (EG) 1100/2007) berücksichtigt wurde. In den letzten Jahren erfolgten vermehrt Anstrengungen, auch den gesamten Mittelmeerraum verstärkt in das übergreifende Aalmanagement mit einzubinden.
Kommentar zur Gefährdung
Beim Europäischen Aal, dessen Bestandssituation und Bestandstrends durch Besatz beeinflusst sind, wurde im Rahmen dieser Roten Liste bei der Einschätzung der RL-Kriterien der Besatz ausgeklammert (vgl. Thiel et al. 2013). Während der Anteil im Binnenbereich besetzter Aale in den deutschen Meeresgebieten einen maximalen Anteil von weniger als 10% am Gesamtbestand hat (z.B. Müller 2022) und die Effekte von im Küstenbereich durchgeführten Besatzmaßnahmen regional begrenzt sind (Buck & Kullmann 2020) sowie teilweise einen experimentellen Charakter haben (z.B. Dorow & Schaarschmidt 2014), sind die Bestände des Europäischen Aals im deutschen Binnenland in der Regel deutlich stärker besatzgeprägt, wodurch die Einstufung der RL-Kategorie des Europäischen Aals für die Binnengewässer Deutschlands mit größeren Unsicherheiten behaftet ist (z.B. Thiel et al. 2013). Nur für einen Teil seines Lebenszyklus hält sich der Europäische Aal im Bewertungsgebiet dieser Roten Liste auf, seine Fortpflanzung erfolgt in der Sargassosee und somit in großer Entfernung zu den deutschen Meeres- und Binnengewässern (Thiel et al. 2013). Die auf die deutschen Meeres- und Binnengewässer bezogene Bewertung des Europäischen Aals ist deshalb in ihrer Aussagekraft eingeschränkt, da es sich beim Europäischen Aal für sein gesamtes Verbreitungsgebiet um eine panmiktische, d.h. um eine einzige, das gesamte Verbreitungsgebiet umfassende Population handelt. Bedingt durch den komplexen fakultativ katadromen Lebenszyklus (Tsukamoto et al. 1998), der weiten Verbreitung und die Vielzahl der durch den Aal besiedelten Habitate während der kontinentalen Lebensphase, ist auch eine Gesamtmodellierung des Aalbestands bis heute noch nicht erfolgt. Fehlende Langzeitdatenreihen führen dazu, dass die Datenbasis zur Bestandsbewertung als „datenlimitiert“ eingestuft wird (Brämick et al. 2023, ICES 2024). Die Bewertung der Entwicklung des Gesamtbestands des Europäischen Aals erfolgt daher auf europaweit erfassten Daten zum jährlichen Rekrutierungsaufkommen, die zur Fortschreibung von zwei Glasaal-Indices und einem Gelbaal-Index genutzt werden (ICES 2024). Bezugnehmend auf die beiden Glasaal-Indices ist festzustellen, dass sich diese innerhalb der letzten Jahre auf einem geringen Niveau stabilisiert haben (ICES 2024). Die fehlende Gesamtmodellierung des Bestands erschwert es auch, die Effekte von Besatzmaßnahmen auf den Gesamtbestand bewerten zu können. Eine Einordnung des oft diskutierten Effekts von bestandsfördernden Besatzmaßnahmen vor dem Hintergrund europaweiter Bemühungen (EC 2007) kann daher bisher nicht abschließend vorgenommen werden. Wichtige Gefährdungsursachen des Europäischen Aals sind direkte Auswirkungen der Fischerei, Schadstoffe, Gewässerausbau, Habitatveränderung und -verlust, Wasserkraft- und Kühlwassernutzung sowie der Klimawandel (z.B. Castonguay et al. 1994, Baer et al. 2011, Freese et al. 2016). Zudem ist der mögliche Einfluss des Schwimmblasenparasiten Anguillicoloides crassus zu nennen (Unger et al. 2024). Bedingt durch den komplexen Lebenszyklus der Art sind einzelne Gefährdungsursachen zwar identifiziert, eine Quantifizierung steht aber immer noch aus. Dabei bestehen regionale Unterschiede beim Einfluss der einzelnen bekannten Faktoren. NORDSEE: Nach Einschätzung der OSPAR-Kommission (Status Assessment 2022) für die Region II (Greater North Sea) ist der Zustand des Bestandes des Europäischen Aals schlecht (Poor). Gründe werden im diadromen Wanderverhalten und im komplexen Lebenszyklus der Art gesehen, wodurch sie einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt ist (Jacoby et al. 2015). Für viele dieser Belastungen sind ihre Auswirkungen auf den Aalbestand schwer zu bewerten und weitgehend unbekannt (ICES 2020). Viele Belastungen stehen zudem oft in Wechselwirkung miteinander, was ihre Bewertung zusätzlich erschwert. Beispielsweise kann die Blockierung von Lebensräumen flussaufwärts zur Erhöhung der Dichte des Aalbestandes flussabwärts führen, was Prädation, Fischerei oder Krankheitsübertragung erleichtert. OSTSEE: Durch die HELCOM (2013) wird die Art für die gesamte Ostsee als vom Aussterben bedroht (Critically Endangered) eingestuft.
Weitere Kommentare
Auf internationaler Ebene wurden in den letzten 10–15 Jahren erhebliche Anstrengungen zum Schutz des Europäischen Aals unternommen. Hervorzuheben ist dabei die im Jahr 2007 verabschiedete Europäische Aalverordnung, die die Mitgliedstaaten der EU zur Umsetzung von Managementmaßnahmen sowie zur Überwachung des Managementerfolgs verpflichtet. In den auf Einzugsgebietsebene umzusetzenden Managementplänen sind teilweise Meeresgebiete in Nord- und Ostsee als Aufwuchsareale für den Europäischen Aal aufgenommen worden. Ausgehend von den Empfehlungen des ICES (ICES Advice 2021, ICES Advice 2022) wurde in den letzten Jahren die Fischerei in den deutschen Küstengewässern weiter beschränkt (Schonzeiten), um die Abwanderung der laichreifen Aale, sogenannte Blankaale, besser zu schützen. Das derzeitige Rekrutierungsaufkommen unterstreicht den kritischen Zustand des Aals und die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen, die alle bekannten Einflussgrößen betreffen. Aufgrund des durch die datenlimitierte Ausgangssituation anzuwendenden Vorsorgeansatzes empfiehlt der ICES (2024) in Übereinstimmung mit den Vorjahren eine Schließung der Aalfischerei aller Lebensstadien sowie parallel hierzu unter Verweis auf einen ökosystemaren Managementansatz, dass alle anderen anthropogen bedingten Faktoren komplett eliminiert und umfangreiche habitatverbessernde Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) legte in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gemäß Bekanntmachung vom 17.04.2024 (BLE 2024) zum Schutz des Europäischen Aals auf Basis der wissenschaftlichen Empfehlungen des ICES und des Thünen-Instituts eine Schonzeit für die Wintersaison 2024/2025 fest. So galt für die deutschen Nordseegewässer und angrenzenden Brackgewässer für den Zeitraum 01.09.2024 bis 28.02.2025 ein Aalfangverbot. Für die deutsche Ostsee galt eine EU-weit einheitliche Schonzeit für den Zeitraum 15.09.2024 bis 15.03.2025 gemäß Europäische Union (2024). Die Freizeitfischerei auf den Europäischen Aal ist nach EU-Recht in allen Meeresgewässern und angrenzenden Brackgewässern weiterhin ganzjährig verboten. Eine verstärkte Berücksichtigung nicht-fischereilicher Maßnahmen stellte der Fitness-Check der Europäischen Aalverordnung heraus (EC 2020). Gleichzeitig wurde hervorgehoben, dass die mit der Europäischen Aalverordnung veranlasste regionale Bewirtschaftung auf Basis von Aaleinzugsgebieten weiterzuführen ist, was auch mit der Entschließung des Europäischen Parlaments in 2023 herausgestellt wurde (Europäisches Parlament 2023).
Einbürgerungsstatus
Indigene oder Archäobiota
Quelle

Thiel, R.; Winkler, H.M.; Sarrazin, V.; Böttcher, U.; Dänhardt, A.; Dorow, M.; Dureuil, M.; George, M.; Kuhs, V.N.; Oesterwind, D.; Probst, W.N.; Schaarschmidt, T. & Vorberg, R. (2025): Rote Liste und Gesamtartenliste der Fische und Neunaugen (Elasmobranchii, Actinopterygii & Petromyzontida) der marinen Gewässer Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (9): 119 S.