Löwen, die in Baumhöhlen lauern

Die Panther-Ameisenjungfer ist die seltenste unter den heimischen Ameisenjungfern. Nur alle paar Jahrzehnte wurde sie bisher gesichtet. Vor Kurzem gelangen jedoch innerhalb eines Jahres gleich zwei Funde. Mit ihren fast transparenten, gefleckten Flügeln ist sie im Wald, zum Beispiel auf Baumrinde oder trockenem Laub, gut getarnt. Ihre Larven, die so genannten „Ameisenlöwen“, leben ohnehin völlig verborgen. Nur Fachleute, die genau wissen, wo man sie suchen muss, sind in der Lage, die Tiere aufzuspüren. Die nachtaktive Art gehört zu den Netzflüglern und ist unsere Art des Monats Februar.

Der etwas andere Ameisenlöwe

Ameisenlöwen, also die räuberischen Larven der Ameisenjungfern, sind eigentlich für ihre Fangtrichter bekannt, die sie in sandige Böden graben. Zu ihren Opfern gehören dort nicht nur Ameisen, sondern auch andere bodenlebende Insekten sowie Spinnen und Asseln. Besonders an Stellen, die vor Regen geschützt sind, kann man die Fangtrichter regelmäßig finden. Den Beutefang in solchen selbstgegrabenen Bodentrichtern praktizieren viele Ameisenjungferlarven.

Ganz anders hingegen die Larven der Panther-Ameisenjungfer (Dendroleon pantherinus). Sie leben in trockenen Mulmhöhlen alter Laubbäume, die sich beispielsweise aus ehemaligen Spechthöhlen oder aus Astabbrüchen entwickeln. Dort lauern sie kleinen Beutetieren auf, greifen diese mit ihren Kiefern und saugen sie aus. Meist sind sie dabei vollständig im krümeligen Mulm eingegraben, nur ihre nach oben gebogenen Saugzangen ragen aus dem Substrat.

Panther-Ameisenjungfern sind selten und schwer zu entdecken. Foto: Dr. Axel Gruppe

Panther-Ameisenjungfern sind selten und schwer zu entdecken.

Foto: Dr. Axel Gruppe

Als wärmeliebende Art ist die Panther-Ameisenjungfer im südlichen Europa zwar weit verbreitet, sie gilt aber überall als selten. In Deutschland lebt sie nur im Rheingraben zwischen dem südlichen Schwarzwald und dem Rhein-Main-Gebiet. Bisher wurde sie überhaupt nur an sechs Fundorten in dieser Region nachgewiesen. Nachdem die Art viele Jahre nicht gefunden wurde, gelangen im Jahr 2022 gleich zwei neue Nachweise: Im südlichen Kaiserstuhl (Baden-Württemberg) wurde ein ausgewachsenes Insekt gefunden und bei Groß-Gerau (Hessen) mehrere Larven. In der aktuellen provisorischen Roten Liste der Netzflügler wird die Art unter „Daten unzureichend“ geführt.

Ihr Freund, der Baum

Ein Grund für die Seltenheit der Panther-Ameisenjungfer dürfte sein, dass alte Bäume mit Höhlungen, die trockenen, weißfaulen Mulm enthalten, Mangelware sind. Bis eine Baumhöhle als Habitat für die Panther-Ameisenjungfer geeignet ist, dauert es in der Regel mehrere Jahrzehnte. Haben sich geeignete Hohlräume erst einmal entwickelt, sind sie allerdings für viele Jahre bewohnbar.

Der Ameisenlöwe lauert gut getarnt im Mulm seiner Baumhöhle auf kleine weichhäutige Insekten und Spinnen. Foto: Dr. Axel Gruppe

Der Ameisenlöwe lauert gut getarnt im Mulm seiner Baumhöhle auf kleine weichhäutige Insekten und Spinnen.

Foto: Dr. Axel Gruppe

Damit ist auch klar, wie sich das Vorkommen einer Population der Panther-Ameisenjungfer am besten schützen lässt: Stehende Bäume mit Mulmhöhlen in Wäldern, aber auch in Parkanlagen und Gärten müssen unbedingt erhalten werden, denn bis sich geeignete Mulmhöhlen entwickeln, kann es Jahrzehnte dauern . Gleichzeitig muss langfristig dafür Sorge getragen werden, dass sich entsprechende Höhlenbäume auch in der Nachbarschaft entwickeln können und so ein Habitat-Kontinuum existiert. Denn ist ein guter Höhlenbaum einmal umgebrochen oder gefällt, ist er als Kinderstube für die Panther-Ameisenjungfer verloren. Der Erhalt der Art in einer bestimmten Region kann also unter Umständen an einzelnen Bäumen hängen.


Eine große Ausnahmeerscheinung sind Funde von Larven in alten Bauwerken, in denen mulmähnliche Substrate vorkommen. Das können etwa Reste von alten Wespennestern auf Dachböden oder in Scheunen sein, oder alte, zerbröselte Teppiche. Für die Entwicklung der Larven ist dann aber Voraussetzung, dass auch dieser organische Staub von anderen Kleintieren, wie Käfer- oder Mottenlarven bewohnt ist.

Ein Beitrag von Dr. Axel Gruppe
Dr. Axel Gruppe ist Erstautor der provisorischen Roten Liste der Netzflügler Deutschlands (2021) und war langjähriger Sprecher des Arbeitskreises Neuroptera. Als Mitarbeiter des Lehrstuhls für Tierökologie der Technischen Universität München untersuchte er den Einfluss der Waldbewirtschaftung auf Insekten und speziell auf Netzflügler. Beim Rote-Liste-Zentrum ist er fachlich für das Datenportal „Netzflügler Deutschlands“ verantwortlich.

Literatur, Datenportal, Rote Liste

Literatur

Gepp, J., 2010: Ameisenlöwen und Ameisenjungfern. Die Neue Brehm-Bücherei Bd 589, Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben.


Gruppe, A. & Hauth, D. & Utz, P., 2023: Nachweis einer Population von Dendroleon pantherinus (Fabricius, 1787) in Hessen sowie ein neuer Imaginalnachweis in Baden-Würtemberg (Neuroptera: Myrmeleontidae). Nachrichtenblatt der Bayerischen Entomologen 72(3/4): 56-61.
 

Datenportal Netzflügler

Neuropteren Deutschlands

Rote Liste

Gruppe, A., Potel, S., Schmitz, O., Tröger, E.-J., Weihrauch, F. & Werno, A. 2021: Provisorische Rote Liste und Gesamtartenliste der Netzflüglerartigen: Kamelhalsfliegen, Schlammfliegen und Hafte (Neuropterida: Raphidioptera, Megaloptera, Neuroptera) Deutschlands. – In: Ries, M.; Balzer, S.; Gruttke, H.; Haupt, H.; Hofbauer, N.; Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 5: Wirbellose Tiere (Teil 3). – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (5): 435-462.


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Panther-Ameisenjungfern erkennt man an dem typischem Augenfleck in der Mitte der Vorderflügel. Foto: Dr. Axel Gruppe

Panther-Ameisenjungfern erkennt man an dem typischem Augenfleck in der Mitte der Vorderflügel.

Foto: Dr. Axel Gruppe

Panther-Ameisenjungfer (Dendroleon pantherinus)

Rote-Liste-Kategorie: Daten unzureichend