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Wissenschaftlicher Name
Natrix tessellata (Laurenti, 1768)
Deutscher Name
Würfelnatter
Organismengruppe
Reptilien
Rote-Liste-Kategorie
Vom Aussterben bedroht
Verantwortlichkeit Deutschlands
In besonderem Maße für hochgradig isolierte Vorposten verantwortlich (diese werden in den Kommentaren benannt, sofern dies nicht auf alle Vorkommen in Deutschland zutrifft)
Aktuelle Bestandssituation
sehr selten
Langfristiger Bestandstrend
sehr starker Rückgang
Kurzfristiger Bestandstrend
mäßige Abnahme
Vorherige Rote-Liste-Kategorie
Vom Aussterben bedroht
Kategorieänderung gegenüber der vorherigen Roten Liste
Kategorie unverändert
Kommentar zur Verantwortlichkeit
Die deutschen Vorkommen liegen weit außerhalb des geschlossenen Verbreitungsgebietes, dessen nördliche Grenze durch Tschechien und Österreich verläuft (Gruschwitz et al. 1999). Die Bestände an Lahn, Mosel und Nahe stellen hochgradig isolierte Reliktpopulationen dar. Daher ist Deutschland für diese isolierten Vorposten in Rheinland-Pfalz in besonderem Maße verantwortlich. Das wiederangesiedelte sächsische Vorkommen in Meißen liegt dagegen nur 80 km von den tschechischen Beständen an der Elbe entfernt.
Kommentar zur Gefährdung
Die wenigen deutschen Vorkommen der Würfelnatter sind auf naturnahe Abschnitte klimatisch begünstigter Flusstäler beschränkt. Autochthone Vorkommen bestehen an Mosel, Nahe und Lahn, wobei an der Nahe etwa 20 Flusskilometer abschnittweise besiedelt sind. Die beiden anderen Bestände erstrecken sich über wenige Flusskilometer. Nach einer 1999/2000 durchgeführten Wiederansiedlung an der Elbe bei Meißen hat sich dort eine kleine, sich jährlich reproduzierende Population etabliert. An der Ahr im Norden von Rheinland-Pfalz wurden 2010/2011 illegal Würfelnattern angesiedelt, die aus der Umgebung des westungarischen Balaton stammten. Dieses Vorkommen konnte sich dort jedoch nicht dauerhaft etablieren. Die TK25-Q-Rasterfrequenz (Zeitraum 2000 – 2018) der autochthonen Vorkommen beträgt 0,19 % und liegt im unteren Bereich der Kriterienklasse „sehr selten“. Bei der Beurteilung des langfristigen Bestandstrends sind besonders die Auswirkungen des Ausbaus der Flüsse und der Flusstäler zu Hauptverkehrsachsen zu betrachten. Dies führte zur Zerschneidung und Zerstörung von Lebensräumen. Gruschwitz (1985 b) zeigte im Vergleich historischer Daten mit der aktuellen Verbreitung bereits 1985 einen gravierenden Rückgang um ca. 85 % auf. Berücksichtigt man nicht die Fundorte, sondern die besiedelten Flussabschnitte, so sind die Arealverluste noch deutlich höher einzuschätzen. Langfristig ist deshalb ein sehr starker Rückgang anzunehmen. Bedingt durch die erforderliche Stützung aller Vorkommen durch dauerhafte Naturschutzmaßnahmen und mehrfache kleinflächige Eingriffe mit bislang ungewissen Folgen sind die Bestände an Mosel und Nahe mehr oder weniger stabil, an der Lahn jedoch deutlich abnehmend. Der Wiederansiedlungsversuch in Meißen an der Elbe verläuft trotz mehrerer u. a. hochwasserbedingter Rückschläge aktuell vielversprechend (u. a. Strasser & Peters 2014). Im Überblick ist deutschlandweit kurzfristig eine mäßige Abnahme anzunehmen. Insgesamt ergibt sich die Einstufung in die RoteListe-Kategorie „Vom Aussterben bedroht“. Wegen der Isolation der auf kleine Teilareale zurückgedrängten Vorkommen und ihrer unsicheren Zukunft kann im Sinne des Vorsorgeprinzips noch nicht von stabilen Teilbeständen ausgegangen werden. Der Erhalt der isolierten Würfelnatter-Populationen ist direkt an dauerhafte Naturschutzmaßnahmen gebunden, die regelmäßig durchgeführt und an die Bedürfnisse der Art angepasst werden müssen. Auf diese besondere Abhängigkeit wird durch das Zusatzmerkmal „Na“ hingewiesen. Gegenüber der Roten Liste von 2009 ergibt sich eine Änderung der Einstufung der aktuellen Bestandssituation (von der Kriterienklasse „extrem selten“ zu „sehr selten“) sowie eine Präzisierung des kurzfristigen Bestandstrends (von der Kriterienklasse „Abnahme mäßig oder im Ausmaß unbekannt“ zu „mäßige Abnahme“), die jeweils auf Kenntniszuwachs beruhen. Die Rote-Liste-Kategorie bleibt unverändert. Die Hauptursachen der historischen Bestandsrückgänge und auch der aktuellen Gefährdung liegen in den vielfältigen Eingriffen in die Habitate der Würfelnatter. Besonders entscheidend sind dabei die folgenden Faktoren: Der Bau, die zunehmende Nutzung und die Unterhaltung von Verkehrswegen (Straßen, Radwegen, Bahnlinien) in unmittelbarer Ufernähe können zum Erlöschen von Populationen führen, sowohl durch den Straßentod als auch durch Lebensraumverlust und -zerschneidung; so bringen z. B. Instandhaltungsmaßnahmen im Gleisbett der Eisenbahn oftmals die Tötung von Individuen und den Verlust von Winterquartieren mit sich; Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen der Fließgewässer wie z. B. Neu- oder Umbau von Wehren und Schleusen, Uferverbau, Vertiefung der Fahrrinne und das Verfugen von Stützmauern bringen oftmals Verluste von Winterquartieren und Flachwasserzonen mit sich; die durch den Ausbau der Fließgewässer weitgehend fehlende Morphodynamik begünstigt die Entwicklung flächiger, hochwüchsiger und stark schattender Staudenfluren (inkl. Neophyten) und einer verstärkten Gehölzsukzession entlang der Ufer; die zunehmende Freizeitnutzung der Fließgewässer und ihrer Ufer (z. B. Wassersport, Camping, Angeln, uferparallele Radwege) stellt eine direkte Gefährdung der Würfelnatter und ihrer Lebensräume dar.
Weitere Kommentare
Schutzmaßnahmen sollten sich auf den Erhalt, die Förderung und die Vernetzung bestehender Lebensräume konzentrieren: Erhalt und langfristige Sicherung naturnaher Bereiche in den besiedelten Flussabschnitten; Renaturierung von angrenzenden Fließgewässern und Wiederzulassen von Fließgewässerdynamik; stärkere Berücksichtigung von Reptilien bei Unterhaltungs- und Sanierungsarbeiten der Schienen- und Wasserwege; Förderung der Vernetzung der bestehenden Bestände durch Schaffung und Erhalt von Trittstein-Lebensräumen, wie z. B. naturnahen Uferbereichen.
Arealrand
Nördlich
Einbürgerungsstatus
Indigene oder Archäobiota
Quelle

Rote-Liste-Gremium Amphibien und Reptilien (2020): Rote Liste und Gesamtartenliste der Reptilien (Reptilia) Deutschlands. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 170 (3): 64 S.