Die Schlauchalgen gehören zu den „Gelbgrünen Algen“ und sind eine relativ kleine, nicht sehr bekannte Algengruppe. Sie leben vor allem im Süßwasser, es gibt aber auch einige Arten, die im Meer oder sogar an Land vorkommen. Vielleicht erhöht sich deren Bekanntheit ja bald: 2021 hat die Deutsche Botanische Gesellschaft erstmals eine Schlauchalge zur „Alge des Jahres“ gekürt.
Die Taxonomie der Gelbgrünen Algen ist noch immer nicht vollständig geklärt. Ihre Gattungen und Arten wurden früher allein nach morphologischen Merkmalen bestimmt und geordnet. Genetische Untersuchungen haben aber gezeigt, dass dies nicht immer die wahren Verwandtschaftsverhältnisse abbildet. Aus der Familie der Vaucheriaceae sind weltweit nur etwa 75 Arten bekannt. Die aktuelle Gesamtartenliste der Schlauchalgen Deutschlands umfasst 45 etablierte Taxa (Arten, Varietäten und Formen) aus zwei Gattungen.
Viele der Gelbgrünen Algen sind mikroskopisch klein und für das bloße Auge nicht sichtbar. Bei den Schlauchlagen der Gattung Vaucheria gibt es aber Arten, die gut erkennbare Rasen oder dünne Beläge aus miteinander verflochtenen Fäden bilden, auch wenn die einzelnen Fäden klein sind und maximal 0,2 mm Durchmesser haben. Die meisten Schlauchalgen sind dunkelgrün gefärbt, da sie über viele kleine Chloroplasten verfügen, in denen sich die für die Photosynthese wichtigen Chlorophylle befinden. Man findet Schlauchalgen beispielsweise auf feuchter Erde oder auf Schlamm am Ufer unterschiedlicher Gewässertypen. Etwa 30 % der in Deutschland vorkommenden Vaucheria-Taxa leben an Salzwasser-Standorten, 70 % im oder am Süßwasser. Die einzige in Deutschland nachgewiesene Art der Gattung Asterosiphon (A. dichotomus) lebt an Land, und zwar auf feuchten, offenen Bodenstellen. Die Vertreter der Gattung Vaucheria verfügen über eine weitere Besonderheit, die bei keiner anderen Gattung der Gelbgrünen Algen bisher sicher nachgewiesen ist: sie können sich, neben vegetativer Vermehrung, auch sexuell fortpflanzen. Die Merkmale der Fortpflanzungsorgane, die nur mikroskopisch erkannt werden können, sind für die Artbestimmung entscheidend.
Um die wenig beachtete Algengruppe etwas populärer zu machen, haben die Algenfachleute der Deutschen Botanischen Gesellschaft die Art Vaucheria velutina jetzt als erste Schlauchlage zur „Alge des Jahres“ gekürt. Vaucheria velutina ist ein Kosmopolit: Sie kommt in fast allen Weltmeeren vor, auch in Nord- und Ostsee. Als salzgebundene, lichtbedürftige Art siedelt sie bevorzugt in den Gezeitenzonen der Küsten, im Wattenmeer und in der Salzmarsch. Sie benötigt Weichsubstrat (z. B. Sand), um ihre typischen Bestände auszubilden. Bisher war die Alge nicht häufig. In der aktuellen Roten Liste der Schlauchlagen wird sie als selten aber ungefährdet eingeschätzt. Im warmen Sommer 2020 wurde jedoch vor der Insel Sylt ein viele Hektar bedeckendes Massenvorkommen von Vaucheria velutina entdeckt. Die Experten und Expertinnen diskutieren, wie, wann und weshalb es entstanden ist. Da die untersuchten Algen genetisch völlig einheitlich waren, wurde vermutet, sie könnten eingeschleppt sein; andererseits ist die Art in der Nordsee seit langem einheimisch. Auch die Frage, ob derartige Massenvermehrungen eine Gefahr für das Ökosystem darstellen oder nicht, kann im Moment nicht beantwortet werden.
In der aktuell gültigen Roten Liste der Schlauchalgen wurden 45 Taxa bewertet. Davon wurden 33 (73 %) als ungefährdet eingeschätzt, 1 Art (Vaucheria medusa) gilt als gefährdet, bei 5 Arten (11 %) wurde eine Gefährdung unbekannten Ausmaßes festgestellt und bei den verbleibenden 6 Taxa (13 %) reicht die Datenlage für eine Bewertung der Gefährdung nicht aus. Keines der aus Deutschland bekannten Taxa wurde als extrem selten eingestuft oder in die Vorwarnliste aufgenommen. Es gibt aber viele Taxa (62 %), die als selten oder sehr selten gelten. Wenn man diese Ergebnisse mit anderen Artengruppen vergleicht, so lässt sich feststellen, dass es den Schlauchalgen nicht allzu schlecht geht.
Viele limnische Arten profitieren davon, dass in den letzten Jahren ein Umdenken in Bezug auf Natur- und Gewässerschutz stattgefunden hat. Rückbau von Uferbefestigungen an Fließgewässern und die Schaffung von Schwemmflächen, die früher natürlicherweise existierten, tragen dazu bei, die Lebensbedingungen auch für diejenigen Schlauchalgen-Taxa zu verbessern, die auf entsprechende Feuchtstandorte angewiesen sind.
Übrigens: Stärker „gefährdet“ als die Schlauchalgen selbst sind in Deutschland die Schlauchalgen-Fachleute. Es gibt hierzulande leider nur sehr wenige Expertinnen und Experten, die sich mit dieser Algengruppe gut auskennen.
(Stand August 2015)
Linne von Berg, K.-H. (2018): Rote Liste und Gesamtartenliste der Schlauchalgen (Xanthophyceae: Vaucheriaceae) Deutschlands. – In: Metzing, D.; Hofbauer, N.; Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 7: Pflanzen. – Münster (Landwirtschaftsverlag). – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (7): 567–598.
Die aktuellen Rote-Liste-Daten sind auch als Download verfügbar.
Im Datenportal "Algen Deutschlands" stehen darüber hinaus Beobachtungsdaten, Kartier-/Artenlisten und Verbreitungskarten zur Verfügung.